Zum ersten Mal: Hafermilch, selbstgemacht

oder: Muttertage

Am Dienstag erklärte mir Baby Boss, dass sie nach der Schule noch in den Hort gehen wolle. „Klar, mach das“, sagte ich, gab aber zu bedenken, dass ihre beste Freundin an diesem Tag Zeichen-AG hätte. „Ihr könnt also nicht miteinander spielen.“ „Ja, ja“, erwiderte Baby Boss. „Das weiß ich doch. Ich möchte bleiben, um ein Muttertagsgeschenk für dich zu basteln.“ Kam es mir nur so vor oder strahlte sie dabei über ihr ganzes kleines entzückendes Gesichtchen?

Der Gedanke, dass es Kinder gibt, die Muttertagsgeschenke für mich basteln oder auch kaufen – ihr wisst doch, Mädels, wie gern ich Pralinen esse? –, macht mich immer wieder unglaublich dankbar und demütig. Denn daraus lässt sich schließen, dass ich wirklich und wahrhaftig eine Mutter bin. Eine MUTTER! Das finde ich ebenso schön wie erstaunlich und es ist ganz gewiss nichts, was ich je für selbstverständlich nehmen werde.

Im Laufe der Jahre sind die verschiedensten Muttertagsgeschenke zusammengekommen: darunter einige, die liebevolle Krippenerzieherinnen für mich gezaubert haben, andere – windschief und zerknickt – von Kinderhänden erstellt, kleine Reime, Papierblumen, Holzschilder mit der Inschrift „Weltbeste Mami“. Manchmal kann ich gar nicht fassen, dass ich das sein soll (siehe oben). Über „weltbeste“ wird es ohnehin verschiedene Meinungen geben. Aber auch, dass ich überhaupt den Titel „Mami“ trage! Ganz erstaunlich, ich sagte es ja bereits. Es ist etwas zum Innehalten und Sich-darüber-Freuen.

Gestern kam meine Mutter bei mir vorbei. Sie wollte mir etwas Selbstgemachtes mitbringen. Kein Muttertagsgeschenk, aber es schien mir mit ebenso viel Liebe hergestellt worden zu sein. Meine Mutter hatte Hafermilch für mich angesetzt. Ihr kennt sie ja alle nicht oder nicht so gut, aber eigentlich sagt das so viel über meine Mutter aus, dass ich den Beitrag hier beenden könnte. Ich muss darüber lachen, während ich schreibe, weil ich es so herzig und lieb finde und gar nicht weiß, wohin mit meiner Gerührtheit.

Meine Mutter meint, dass Hafermilch recht teuer sein könnte. „Und dabei ist das doch eigentlich fast nur Wasser!“ Ich sagte, dass ich nicht wüsste, ob sie so teuer sei, mir käme es nicht so vor. Trotzdem fing sie an, im Internet zu recherchieren, ob man die „nicht auch ganz einfach selbst herstellen“ könne. Und das hat sie dann gemacht. Weil sie nämlich weiß, dass ich seit geraumer Zeit mein Müsli nur noch mit Hafermilch esse. Sie wollte mir etwas Gutes tun.

Gestern war sie in der Nähe unterwegs, klingelte und ich kam nach unten vors Haus, damit sich meine Mutter nicht bis zu uns hinauf in den dritten Stock kämpfen musste. Das fällt ihr nämlich zunehmend schwer.

„Es gibt kernige Haferflocken“, erklärte sie mir, „und die zarten. Die sind aber auch nicht so gut, denn die muss man noch pürieren.“ Ich nickte betroffen. „Und dann gibt es die, mit denen ich die Hafermilch jetzt gemacht habe. Das sind Schmelzflocken für Babys.“ Morgens hatte sie mir per WhatsApp ein Foto von der Verpackung geschickt. Das Bild ist leicht verschwommen. Ich kenne das. Meine Mutter hat manchmal auch leicht verwackelte Fotos in ihrem Status, zum Beispiel von Sonnenaufgängen oder Zimmerpflanzen, die sie verschenken möchte. Vielleicht liegt es aber auch an meinen Augen. Ich bin jetzt 44 und trage noch immer keine Brille. Auf der Verpackung steht: „Ideal vor dem Schlafengehen“ und „nach dem 4. Monat ohne Milch“.

Meine Mutter streckte mir die Hafermilch voller Stolz entgegen und erklärte mir noch, dass sie Haferflocken übrighätte und bei Bedarf weitere anderthalb Liter würde herstellen können. „Es hat mir richtig Spaß gemacht.“ Bald versorgt sie ganz Friedenau damit, dachte ich. Oder verkauft die Hafermilch übers Internet so wie ihre selbstgestrickten Babydecken, Socken, Schals und Mützen. Das Getränk befand sich in einer Milchflasche aus Plastik. Meine Mutter hatte das Etikett abgelöst. So etwas stört ihr ästhetisches Empfinden. Sie macht das auch mit Cremes, Lotionen und Shampoos, bevor sie sie bei sich ins Bad stellt. Auch jetzt muss ich wieder lächeln und könnte den Beitrag hier abbrechen lassen.

„Du musst mir dann sagen, wie sie schmeckt“, sagte meine Mutter. „Na, klar“, sagte ich. „Ich esse morgen mein Müsli damit.“

Am Nachmittag brachte mein Vater Belle und Baby Boss vorbei, die er zum Reiten gefahren und abgeholt hatte. Ich stand oben am geöffneten Fenster und er machte ein Zeichen, ob ich schon von der Hafermilch probiert hätte. „Nee, mache ich mir morgen ins Müsli!“, rief ich herunter. Dann probierte ich aber doch, weil ich merkte, wie wichtig das war: dieses ganze Hafermilch-Projekt. Ich ging in die Küche, nahm die Flasche ohne Etikett aus dem Kühlschrank und schüttelte sie gut. Dann goss ich mir Milch auf einen Teelöffel und kostete. Und: sie schmeckte (Gott sei Dank)!

Meine Mutter ist ein wirklich guter Mensch. Das sage ich ihr viel zu selten. Klar, sie hat – ebenso wie alle anderen auch – ihre Ecken und Kanten. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie ein wirklich guter Mensch ist. Herzlich und herzig, fürsorglich und hilfsbereit. Sehr patent und eher unkompliziert. Sie nimmt sich oft zurück, ihr ist es wichtiger, dass sich andere wohl fühlen.

Es gibt eine Frage, die sie mir sehr regelmäßig stellt: „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Auch hier könnte ich den Beitrag abbrechen. Und das mache ich jetzt auch: um innezuhalten und mich darüber zu freuen.

PS Was macht eure Mütter so besonders?

10 Kommentare zu „Zum ersten Mal: Hafermilch, selbstgemacht“

  1. Liebe Sophie,
    als ich mir den liebevollen Beitag durchgelesen habe, dachte ich, dass Du meine Mutter beschreibst😊 Das Innehalten und sich freuen tue ich leider im Alltagsstress viel zu wenig. Deshalb lieben Dank für die Erinnerung! Sonnige Grüße

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    1. Liebe Zeliha, tausend Dank für deine liebe Nachricht! Ich freue mich immer sehr, hier von dir zu lesen.
      Ich finde es auch schwierig, im Alltag daran zu denken und vor allem meiner Mutter zu sagen, wie wichtig sie mir ist und wie dankbar ich bin, sie zu haben.
      In den nächsten Tagen wird es mir aber beim Blick in den Kühlschrank gelingen: Die Hafermilch in ihrer Flasche ohne Etikett als Sinnbild für die Herzigkeit meiner Mutter. 🥰
      Liebe Grüße, Sophie

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  2. Ein toller Beitrag! Meine Mutter ist auch meine weltbeste…. Als mein Mann und ich letzte Woche das erste Mal Corona hatten, nahm sie kurzer Hand unsere Tochter vier Tage zu sich, damit sie sich nicht ansteckt❤️

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    1. Wow, das finde ich toll! ☺️
      Es ist wirklich wahnsinnig viel wert, jemanden zu haben, auf den man sich so verlassen kann.
      Und es ist auch nicht selbstverständlich, dass man sich so gut mit seiner Mutter versteht.
      PS Ich hoffe, ihr habt Corona gut überstanden!

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  3. Ein Hoch auf alle Mütter! Gut, dass du den Beitrag nicht abgebrochen hast, sondern all die positiven Dinge, die deine Mutter ausmacht, zu Papier gebracht hast.
    PS Meine Mutter zeichnet auf jeden Fall ihre ausgeprägte Gastfreundlichkeit aus. Nur, wenn der Gast das dritte Mal einen Nachschlag abgelehnt hat, wird er in Ruhe gelassen. 😉

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  4. Dieses Hafermilcherlebnis, meine liebe Tochter, war sehr liebevoll beschrieben und ich hatte viel Freude beim Lesen und denke, dass ich dabei genauso angerührt war, wie du beim Schreiben.
    Die vielen schönen Dinge, die du über mich geschrieben hast, haben mich froh und glücklich gemacht, ich danke dir von ganzem Herzen dafür und verspreche, dass ich weder in Friedenau noch im Internet meine Hafermilch anbieten werde. Alles Liebe für dich!

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    1. Es freut mich von Herzen, dass dir der Beitrag gefallen hat! 🥰
      Und du kannst sehr gern Hafermilch verkaufen. Aber diesmal gibt es keinen Rechtsrat von mir. 😉
      Viele liebe Grüße! ❤️

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  5. Liebe Sophie,
    Danke für diese liebevolle „Ode an die Mütter“! Auch mich hat dein Beitrag ins Herz getroffen und mir mal wieder bewusst gemacht, was ich meiner Mama alles verdanke. Und wenn sie mal wieder in einer Gesprächsrunde einfach ein ganz anderes Thema anbringt, das mit dem gerade besprochenen gar nichts zu tun hat, werde ich versuchen, es in Erinnerung an all das Schöne nicht überzubewerten 😉.

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    1. Liebe Birgit, genau das denke ich auch: Die Gesamtbetrachtung zählt. 🥰 Das ist ja bei den eigenen Kindern auch nicht anders. 😉 Und beim Partner erst recht nicht! 😉😉
      Herzliche Grüße!

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