oder: Zwei Tage sind nicht genug
Vor einiger Zeit habe ich auf einem Post-it mehrere europäische Städte notiert, die ich gern einmal besuchen würde – zum ersten Mal oder wieder. Darunter befinden sich Budapest, Riga und Edinburgh (kenne ich noch nicht) sowie Wien, Barcelona und Amsterdam (kenne ich schon). Ich weiß nicht, wieso das so ist, aber ich liebe es, Listen zu schreiben. Vielleicht hilft es mir, den Überblick über mein Leben zu bewahren.
Amsterdam steht zufällig ganz oben auf dem Zettel. Die Städtenamen sind nicht alphabetisch geordnet, obwohl das zu mir passen würde. Und ebenso zufällig, wie Amsterdam die Liste anführt, ist es nun auch die Stadt geworden, die wir zuerst besucht haben, nämlich am vergangenen Wochenende.

Blumen…
Die niederländische Hauptstadt ist rund 650 Kilometer von Berlin entfernt. Für einen Kurztrip würde es sich anbieten, dorthin zu fliegen. Es gab Zeiten, da hätten wir das vielleicht ohne mit der Wimper zu zucken gemacht. (Ich muss allerdings sagen, dass ich in meinem Leben noch nie irgendwohin geflogen bin, ohne nicht mindestens einmal wenigstens kurz mit der Wimper gezuckt zu haben. Das hat damit zu tun, dass ich vor jedem Flug an einen möglichen Absturz denken muss.) Aber der Klimawandel einerseits und die hohen Kosten für Flüge andererseits haben uns umdenken lassen. „Fahren wir doch mit der Bahn!“, haben wir beschwingt gesagt und festgestellt, dass auch das ein wahnsinnig teures Unterfangen wäre. Rund 700 Euro für uns fünf – und dabei zahlen Baby Boss und Supergirl in Deutschland ja noch nicht einmal fürs Zugticket. Zerknirscht gaben wir klein bei und entschieden uns fürs Auto (Gesamtkosten: 120 Euro für Benzin).

… und Käse – typisch für die Niederlande.
Das stellte sich übrigens auch vor einem anderen Hintergrund als nützlich heraus, denn so waren wir nicht auf Amsterdam angewiesen, was die Suche nach einer Unterkunft betraf. Bekanntlich wird alles teuer, und das gilt auch für die Ferienwohnungen und -häuser, die wir bevorzugt über Airbnb buchen (soll keine Werbung sein). Vor allem für die in zentraler Lage! Eher untypisch für uns schlugen wir bei der Auswahl der Unterkunft trotzdem ein bisschen über die Stränge und buchten ein Haus am Wasser mit Steg und Terrasse und David-Bowie-Poster an der Wand und farblich aufeinander abgestimmten Möbeln und verglaster Veranda. Wir hatten das alles im Internet gesehen, aber als wir das Haus mit unserem herzlichen holländischen Host betraten, konnte ich unser Glück dennoch kaum fassen. Es war alles sogar noch viel schöner! Mein Mann und ich haben einen Spruch für solche Momente. Er lautet: Angekommen im Wohlstand.

Der Blick von unserem Steg. Das Leben kann so schön sein.
Dass die Anstrengung der Anreise in dem Moment von uns abfallen würde, als wir über die Schwelle in unser Ferienhaus traten, wussten wir noch nicht, als wir am Himmelfahrtstag morgens um kurz nach 7 Uhr in unser Auto stiegen. Unsere Kinder sind vergleichsweise hart im Nehmen, was solche Reisen betrifft. Auf der Rückbank Platz genommen, Kopfhörer auf und los. Wir machten einen Halt auf halber Strecke und trafen die Familie eines ehemaligen Mitschülers von Belle auf dem Rastplatz. Sie war auch auf dem Weg nach Amsterdam und plötzlich erschien mir unser Vorhaben, mal eben für ein verlängertes Wochenende dorthin zu brausen, nur noch halb so verrückt.
Da wir ohnehin mit dem Auto unterwegs und maximal flexibel waren, hatte mein Mann am Tag vor der Abreise den Vorschlag gemacht, Utrecht zu besuchen. Die Stadt ist rund 50 Kilometer von Amsterdam entfernt. Der kleine Ort Abcoude, wo unsere Unterkunft lag, sogar nur 30. Ein Katzensprung. Wer ein bisschen Zeit für die Niederlande hat und mit dem Auto reist, dem würde ich ebenfalls eine Unterkunft empfehlen, von der aus beide Orte gut zu erreichen sind, denn Utrecht ist einen Besuch wert! Auch diese Stadt ist von Grachten durchzogen, die Einheimische und Urlauber per Boot erkunden können, sie beherbergt einen stattlichen Dom und viele kleine am Wasser gelegene Cafés und Restaurants. Utrecht wirkt wie die kleine Schwester Amsterdams. Es geht etwas ruhiger und beschaulicher zu, die Stadt ist aufgeräumter und es gibt viel weniger Touristen. (Außerdem auch weniger Fahrräder, die einen fast über den Haufen fahren. Und es riecht auch nicht wie in Amsterdam an jeder dritten Ecke nach Cannabis.) Utrecht hat rund 370.000 Einwohner, Amsterdam mehr als 900.000. Um die Touristenscharen in Amsterdam ein wenig einzuschränken, gibt es seit Anfang 2021 übrigens eine Obergrenze von 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr…

Utrecht muss sich hinter Amsterdam nicht verstecken.
Was Amsterdam selbst betrifft, kommt hier mal ein kleiner Spoiler: Zwei Tage sind definitiv zu wenig! Das gilt aber wahrscheinlich für die meisten Großstädte. Wer über ein verlängertes Wochenende fährt, sollte darauf achten, zumindest noch einen weiteren ganzen Tag oder zwei halbe Tage zu haben. Noch mehr Zeit ist allerdings noch besser! Es gibt wirklich viel zu sehen, und ich hätte gern vor allem für zwei Dinge mehr Zeit gehabt: fürs Bummeln und für die Museen der Stadt. Zwischen allen, die sicherlich lohnenswert sind, haben wir uns für zwei entschieden.

Jeder sollte einmal mit baumelnden Beinen an einer Gracht gesessen haben.
Am ersten Tag haben wir den Sprinter vom Bahnhof in Abcoude nach Amsterdam genommen und waren im Rijksmuseum, am zweiten sind wir mit dem Auto direkt zum Street-Art-Museum STRAAT gefahren, das im Norden der Stadt liegt, und haben dort gratis in einem Wohngebiet geparkt.

Die Karten für die Vermeer-Ausstellung waren übrigens lange vorab vergriffen.
Beide Museen sind absolut empfehlenswert und auch gerade in ihrer Andersartigkeit im Doppelpack wahnsinnig charmant. Beim Rijksmuseum ist allein schon das Gebäude sehenswert, von der Kunstsammlung ganz zu schweigen. Die zeigt vor allem Gemälde aus dem goldenen Zeitalter der Niederlande, aber auch asiatische Kunst. Zu den bekanntesten dort ausgestellten Werken zählen Rembrandts Nachtwache, Vermeers Dienstmagd mit Milchkrug (derzeit in der Vermeer-Sonderausstellung) und Vincent Van Goghs Selbstbildnis mit grauem Filzhut. Alles ist übrigens als Playmobil im Museumsshop erhältlich. Ja, auch die Nachtwache und ein malender Vincent Van Gogh. Hätte ich mir fast gekauft, weil es so wahnsinnig niedlich ist! Stattdessen hat Baby Boss die Figuren zu Rembrandts Gemälde Marten und Oopjen erworben.

Seine Zeit in Amsterdam auf dem Wasser zu verbringen, gehört nicht zu den schlechtesten Ideen.
Wir haben uns für den Besuch die kostenlose App des Rijksmuseums heruntergeladen und uns für die Audiotour „Das Beste vom Rijksmuseum“ entschieden, bei der 21 Werke ausführlich vorgestellt werden. Es gibt aber auch thematische Führungen, wie beispielsweise „Rembrandt“ oder „Koloniale Vergangenheit“. Über eine Suche-Funktion ließen sich während der Audiotour darüber hinaus Erklärungen zu anderen Werken aufrufen, allesamt sehr informativ. Manchmal haben die Ausführungen den Blick exakt dorthin gelenkt, wo ich von allein nie hingeschaut hätte. Die Führung hat auch unseren Töchtern Spaß gemacht, jedenfalls gab es kein Murren. Wahrscheinlich war es gut, dass sie mithilfe der Audiotour einen Überblick hatten und der Besuch nicht als uferlos erschien. Natürlich kann man im Rijksmuseum mühelos fünf Stunden verbringen, zwei würde ich als Minimum einplanen.
Später haben wir sehr entspannt im Garten des Museums in der Sonne gesessen und von unserem Proviant gegessen. Ach so: dringend Karten vorab online bestellen! Je früher, desto besser! Also am besten schon von Zuhause aus. Als wir mit unseren Tickets um 11 Uhr ankamen, war das Museum für den Tag komplett ausverkauft.

Anne Frank ist eine der prägenden Persönlichkeiten der Stadt.
Das STRAAT-Museum, das wir am nächsten Tag besuchten, ist ein beeindruckendes Kontrastprogramm zu den Werken aus vergangenen Zeiten. Besucher vergeben im Internet höchste Punktzahlen, das hat mich bei der Auswahl überzeugt. Die Ausstellung ist in einer alten Werfthalle untergebracht, nicht minder sehenswert als das altehrwürdige Rijksmuseum. Die Werke sind auf riesige Leinwände gesprüht, wer Glück hat (wie wir) kann Künstlern auch live bei der Arbeit zuschauen. Für Kinder bis etwa 12 Jahre wird eine Rallye angeboten, die Baby Boss und Supergirl mitmachten. Sie zogen allein los, um die verschiedenen Aufgaben zu bearbeiten, und waren fortan nicht mehr gesehen. Das ist auch eine Möglichkeit, Kinder an Kunst heranzuführen. Ich fand es großartig.

Innerhalb des STRAAT-Museums darf man leider nur für private Zwecke fotografieren.

Baby Boss‘ Zeichenkünste.
Nach dem Museumsbesuch fuhren wir mit einer kleinen Fußgänger- und Radfahrerfähre kostenfrei vom Norden der Stadt bis zum Hauptbahnhof, auch das ist ein Erlebnis, das sich lohnt.
Weitere Highlights unseres Aufenthalts: eine einstündige Grachtenfahrt (sollte man in Amsterdam dringend gemacht haben!) und die Spaziergänge durch den Vondelpark und das Zentrum. Außerdem ein Muss für jeden Amsterdam-Touristen: Pommes und Pancakes. Wir hatten „friet“ in der Nähe des Vondelparks und „pannekoeken“ am Blumenmarkt. Beides war köstlich.

Alles leuchtet grün im Vondelpark.

Das Bild ist eigentlich selbsterklärend. Friet!

Ein bisschen Nationalstolz muss sein.
Noch kurz ein Wort zu unserem Ferienhaus, von dem ich nicht genug schwärmen kann. Wem das Amsterdamer Nachtleben wichtig ist, dem sei natürlich von einer Unterkunft außerhalb der Stadt abgeraten. Für uns war diese Rückzugsmöglichkeit aufs Land aber goldrichtig. Nach langen, ereignisreichen Tagen haben wir unsere Nudeln mit Tomatensauce, Pizza und Baguette mit Gouda in der tiefstehenden Sonne auf unserer Terrasse am Wasser genossen. Später sind wir mit drei Fahrrädern, einem Longboard (Supergirl) und einem Skateboard (Baby Boss) Abend für Abend zu einer kleinen Runde durch die Umgebung aufgebrochen. Ein kurzer Weg zum Seelenfrieden.

Überall Wasser in den Niederlanden.
Ich glaube, dass ich Amsterdam vorerst nicht von meinem Post-it streichen kann. Denn es sind noch einige Dinge offengeblieben, die ich beim nächsten Besuch erleben möchte. Vielleicht im Rahmen einer Benelux-Rundfahrt? Eine der Unterkünfte steht jedenfalls fest. Ich fange schon mal an zu sparen.

Baby Boss nach einem Streit mit Supergirl.

Ich, nachdem ich bemerkt habe, dass zwei Tage viel zu kurz für einen Amsterdam-Aufenthalt sind.

Wer mit dem Auto unterwegs ist, kann auf dem Rückweg nach Berlin bei den Herrenhäuser Gärten Halt machen.
Sehr interessant, und danke für die tollen Fotos!
Wo genau befinden sich die Gärten für den Rückweg? 😉
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Bei Hannover. 😉 Dort gibt es eine ganz tolle Fontäne, aber die war nicht eingeschaltet…
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Amsterdam … da waren wir gerade über Weihnachten. In einem Hotel, viertel Stunde mit Straßenbahn vom Zentrum entfernt und ja, von Mailand aus mit dem Flugzeug.
Jetzt weiß auch die olle Mutter (ich) wie es riecht, wenn es nach Gras riecht. 😂 Unsere Große wusste es schon (vom morgendlichen Schulweg durch eine Unterführung in Varese und sicher auch von anderen Orten). 😒
Ich sag mal so: Es war interessant, aber unbedingt nochmal hin zieht es mich nicht. Womöglich war es nicht die ideale Jahreszeit? Auf deiner Wiederholungsliste setze aber auch ich ein fettes Häkchen hinter Wien. Liebe Grüße nach Berlin!
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Liebe Anke, ja, vielleicht lag es an der Jahreszeit. Für eine Reise im Dezember kann ich mir andere Städte besser vorstellen. Amsterdam ist, denke ich, vor allem dann charmant, wenn sich das Leben draußen abspielt, die Menschen an den Grachten sitzen oder mit ihren Booten umherfahren. Wobei mir gerade ein Werk aus dem Rijksmuseum in den Sinn kommt: Zugefrorene Grachten und schlittschuhlaufende Menschen stelle ich mir auch sehr malerisch vor! Aber das hattet ihr nicht, oder? Zugefrorene Grachten?
Weißt du was? In Wien habe ich sogar mal für zehn Wochen gewohnt. Das war herrlich! Und es war der Jahresbeginn, die Zeit von Januar bis Anfang März. Wien ist selbst dann schön. (Aber wahrscheinlich noch schöner im Frühling, Sommer und Herbst…)
Herzliche Grüße nach Bella Italia!
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Nee, nix zugefrorene Grachten und Schlittschuhromantik. Geregnet hat es oft! Auch während der Kanalrundfahrt, die wir natürlich im Programm hatten.
Alle Aufenthalte in Wien zusammengerechnet, komme ich auch auf paar Wochen. Das ist natürlich nicht das Gleiche. Aber ich habe die Stadt zu verschiedenen Jahreszeiten erlebt. Immer fantastisch, da sind wir einer Meinung.
Eine italienische Stadt steht nicht auf deiner Liste, stelle ich fest. Warst du schon in Rom? Oder Verona? Oder Florenz? Ach nein, meine Lieblingsstadt ist ja Bologna! Wenn du da noch nicht warst, setze es mal ganz schnell auf deine Liste! Mailand wäre natürlich auch eine Reise wert, zumal wir uns dann treffen könnten!😊
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Auf der Liste stehen natürlich noch viel mehr Städte, als ich im Beitrag erwähnt habe. Auch Florenz!!! In Rom waren wir vor relativ kurzer Zeit (die Stadt ist fantastisch!). Bologna und Mailand schreibe ich jetzt dazu. Und sage dir Bescheid, wenn wir kommen.
Apropos: Im Herbst fahren wir an die Amalfi-Küste…
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Wow, da war ich noch nie. Ist zu weit südlich von uns. 😉
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Und von uns erst! 😉
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