Immer wieder: Sich die Sinnfrage stellen

oder: Ist Aufhören Aufgeben?

Wir waren gerade drei Wochen verreist und ich habe nicht ein einziges Mal in meine E-Mails geschaut. Es war kein geplantes Digital Detox. Es lag in erster Linie daran, dass mein neues Passwort so kompliziert ist, dass ich nicht mehr genau weiß, wie es lautet. Zuhause haben wir ein Programm, mit dem ich meine E-Mails abrufen kann, ohne diese kryptische Kombination aus Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen einzugeben.

Ich hatte den Zettel, auf dem ich das Passwort notiert habe (nein, habe ich natürlich nicht!) und der neben dem Computer auf unserem Schreibtisch liegt (ach, Quatsch, das tut er nicht!), sogar fotografiert, um wenigstens theoretisch in der Lage zu sein, meine Mails zu checken. Aber irgendwie fand ich das Passwort dann doch so komplex, dass ich im Urlaub keine Lust darauf hatte, es einzutippen. Dafür ist es sehr sicher (vielleicht nicht auf unserem Schreibtisch).

Als wir am vergangenen Sonntag zurückkamen und ich in mein Postfach schaute, hatte ich rund 100 ungelesene Mails. Das fand ich fast ein bisschen übertrieben für ein privates Postfach. Die meisten davon waren Jobnewsletter, die ich mehr oder weniger ungelesen wegklicke, nicht nur nach dem Urlaub. (Leider wird so selten eine Kinderbuchautorin gesucht.) Eigentlich war nur eine einzige Nachricht relevant – und die war auch noch schlecht.

Es war eine knappe Mail vom Carlsen Verlag, in der mir mitgeteilt wurde, dass mein Buch „Eiskalte Ermittlungen“ für eine Veröffentlichung nicht in Betracht käme. Es ist nicht so, dass ich damit gerechnet hätte, dass es das täte. Dennoch versetzte mir die Nachricht einen Dämpfer.

Ich habe ja schon manchmal darüber geschrieben, dass ich mich frage, ob es einen Moment gibt, in dem ich die Möchtegern-Schriftstellerei vielleicht lieber an den Nagel hängen sollte. Das ist eine Weile her und deshalb traue ich mich, es heute mal wieder zum Thema zu machen. Und es geht nicht nur um die Schriftstellerei, sondern auch um den Blog. Das Schreiben im Verborgenen, muss ich gerade denken, weil es so wenige Menschen gibt, die den Blog lesen.

Angenommen, ich würde in der Fußgängerzone stehen und ein Instrument spielen. Wie lange würde ich es dort aushalten, wenn kaum jemand anhielte, um mir zuzuhören?

Es gibt Dinge, die man tut, weil sie einem guttun. Und es gibt Dinge, die sich noch besser anfühlen, wenn man damit auch jemanden erreicht. Und noch besser, wenn man nicht nur zwei, drei Gestalten erreicht, sondern Hunderte, vielleicht sogar Tausende. Falls es dazu nicht kommt, stellt man sich (ich mir!) die Sinnfrage. Und das hat auch damit zu tun, dass es in meinem Leben wahnsinnig viele andere Sachen gibt, die ich auch gern tue (Zeit mit meiner Familie und meinen Freundinnen verbringen, Laufen, Yoga, Backen), und Dinge, die gern getan werden wollen (die Wäsche, mein Job). Ich frage mich also: Wie viel Zeit kann ich aufbringen für dieses Hobby, das gern so viel mehr wäre?

Manchmal denke ich, dass es vielleicht leichter wäre, diesen Schriftstellerei-Traum nicht zu haben, nie auch nur gehabt zu haben. Dass der Traum mit Enttäuschungen einhergeht und sogar mit Frustration. Dazu muss ich sagen: Das Schreiben selbst frustriert mich nie, mich frustriert das „Nicht-gelesen-Werden“. Aber manchmal denke ich, dass mir andere leidtun, die keinen wie auch immer gearteten Traum haben. Und gerade denke ich den ganz seltsamen Gedanken, dass es mich ohne diesen Traum vielleicht gar nicht gäbe.

Dieser Traum und ich, wir führen eine etwas komplizierte Beziehung – und das, obwohl wir so gut zusammen passen. Finde ich jedenfalls, ich weiß nicht, wie es der Traum sieht. Hochsensible bilden sich ja manchmal auch nur ein, dass sie mit irgendwem besonders verbunden sind, und objektiv gesehen ist gar nichts dran an dieser Einschätzung.

Vielleicht sollte ich das Schreiben mehr wie meine anderen Hobbys betrachten: als etwas, das ich für mich tue. Nur für mich. Beim Laufen zum Beispiel kann ich gut darauf verzichten, von anderen wahrgenommen zu werden. Ich binde mir die Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen, oft bin ich noch ungeschminkt, wenn ich meine Runden durch Friedenau drehe. Einmal habe ich meinen damaligen allerhöchsten Chef getroffen und dachte, dass er mich vielleicht nicht erkennt. Aber er rief von seinem Fahrrad aus: „Guten Morgen, Frau Mecchia.“ Er kannte jeden einzelnen Mitarbeiter beim Namen, das hat mich immer beeindruckt.

Vielleicht kann ich eines Tages gar nicht mehr ungeschminkt joggen gehen, denke ich gerade. Falls es Leserinnen und Leser gibt, die mich auf der Straße erkennen. Aber das wäre es mir wert.

10 Kommentare zu „Immer wieder: Sich die Sinnfrage stellen“

  1. Ich wünsche dir wirklich sehr, dass du und dein Traum eines Tages zueinander findet und eure Beziehung gänzlich unkompliziert wird!
    Und wenn dich jemand von deinen Lesern eines Tages, wenn du den Durchbruch geschafft hast, beim Joggen ungeschminkt „erwischt“: ihm / ihr wird es vor lauter Freude und Aufregung nicht auffallen 😉

    Gefällt 1 Person

  2. Ich finde, das Wichtigste, was du schreibst, ist deine Aussage, dass du es vorrangig für dich machst. Wenn du es so begreifen kannst und willst, freut dich doch jede und jeder ganz besonders, die/der lesend an dem teil hat, was dir wichtig ist.

    Gefällt 1 Person

    1. Das stimmt. Vielleicht sollte ich versuchen, mein Augenmerk wieder verstärkt auf diesen – ich nenne es jetzt mal – Kern meines Schreibens zu legen. Das Schöne ist ja wirklich: Das Schreiben selbst frustriert mich nie. Das Schreiben selbst erfüllt mich.

      Gefällt 1 Person

  3. Liebe Sophie,

    zum Glück gibt es ja nicht nur den Carlsen Verlag. Als eine der Glücklichen, die „Eiskalte Ermittlungen“ lesen durfte, kann ich mir kaum vorstellen, dass ich das Buch nicht irgendwann als gebundene Ausgabe irgendwo erwerben kann. Die besten Träume brauchen immer am längsten! Da ich zum Joggen viel zu unsportlich bin, bin ich froh, dass ich dich jetzt schon kenne und dich auch so mal auf der Straße treffe 😊

    Gefällt 1 Person

  4. Liebe Sophie,

    ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich auf deinen Blog gestoßen bin (es hatte irgendetwas mit deinem Beitrag über Mady Morrison zutun, bei der du eine Yoga-Stunde gewonnen hast und mit der ich auch gerne virtuell Sport mache). Seit diesem Beitrag folge ich dir jedenfalls, freue mich über jede Mail von „Sophie bloggt“ und lese tatsächlich jeden neuen Beitrag von dir. Ich fände es sehr schade, wenn es keine neuen Texte mehr zu lesen gäbe und würde natürlich auch mit großer Freude gebundene Bücher oder E-Books von dir kaufen!
    Ich wünsche dir gutes Durchhaltevermögen und einen wohlwollenden Verlag für deinen Traum!

    Herzliche Grüße von deiner sonst stillen Leserin,

    Katharina

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Katharina, dein Kommentar macht mich gerade sehr, sehr glücklich!!! Ich habe seit gestern so viele positive Rückmeldungen auf meine Schreiberei bekommen (die meisten per WhatsApp) und jede einzelne ist so wahnsinnig wichtig für mich. Ich glaube, die lese ich mir in Zukunft immer durch, wenn ich mal wieder zweifeln sollte. 🥰 Vielen lieben Dank auch für deine guten Wünsche. Ich hoffe so sehr, dass es eines Tages klappt mit einer Veröffentlichung.
      Und wie schön, dass du über Mady zu mir gefunden hast. Sie ist zum Beispiel jemand, der mir sehr fehlen würde, sollte sie nicht mehr weitermachen. Nicht auszudenken!
      Ganz herzliche Grüße, Sophie

      Like

  5. Liebe Sophie! Du wirst auf gar keinen Fall aufhören, selbst wenn du zwischendurch aufgeben solltest, an den „großen Durchbruch“ zu glauben. Und vielleicht wird dann dein Traum ganz unerwartet ungeschminkte Wahrheit. Ich glaube an dich und dass die wunderbare Gabe, mit deinen Texten zu unterhalten und Emotionen zu wecken, einfach gelebt werden MUSS. Für jeden einzelnen deiner Leser und Leserinnen, die das genauso sehen wie ich. Alles Liebe! Anke

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Anke, ich muss es an dieser Stelle einfach mal schreiben: Obwohl wir uns (leider!) (noch) nicht persönlich kennen, also zumindest noch nie getroffen haben, bist du eine sehr wichtige Person in meinem Schreibkosmos geworden: klug und wohlwollend und inspirierend. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich dafür bin. 🥰
      Sehr herzlich, deine Sophie

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar