Immer wieder: Gleich heißt nie

oder: Experiment gescheitert

Als Supergirl knapp sieben Jahre alt war, hat sie einmal zu mir gesagt: „Du kannst auch manchmal ganz schön streng sein, Herr von Mami!“ Das finde ich so geistreich, dass ich immer wieder gern daran zurückdenke. Im Übrigen hat sie recht damit: Ich kann manchmal ganz schön streng sein. Mir bleibt nichts anderes übrig, denke ich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es zu nichts führt, ständig nur mit Engelszungen auf meine Kinder einzureden.

Neulich habe ich unsere Wohnung vermüllt, um meinen Töchtern mit der Holzhammer-Methode mitzuteilen, dass ich es nicht in Ordnung finde, wenn sie ihre Joghurtbecher, Aufladekabel und auf links gedrehten, getragenen Socken überall herumliegen lassen. Die Reaktionen darauf waren sehr unterschiedlich. Es gab Familienmitglieder, denen mein Experiment gar nicht erst aufgefallen ist. Baby Boss hat quasi auf meinen durchgeschwitzten Sportsocken ihre Mittagsruhe zelebriert, mein leerer Joghurtbecher stand direkt neben ihr. Später hat sie behauptet, dass sie gedacht hätte, es wären alles Supergirls Sachen. Das hatte ihr offenbar nichts ausgemacht.

Supergirl wiederum hat die Socken sofort bemerkt. Zuerst habe sie gedacht, dass es ja meine Entscheidung sei, wo ich sie hinlege. Aber dann habe sie sich schon ein bisschen gewundert, weil dieses Verhalten nicht zu mir passen würde, wie sie mir erklärte.

Belle entdeckte das Schüsselchen mit den Kürbiskernschalen, das ich auf ihrem Sofa aufgestellt hatte, als sie aus der Schule kam. Sie stellte mich gleich zur Rede: „Ist es heute deine Mission, dass du irgendwelche Sachen hier herumliegen lässt?“ Ich stolperte über das Wort Mission und frage mich seither, ob auch meine Kinder eine Art Mission verfolgen, wenn sie sich so verhalten. Nur: was wollen sie mir damit sagen?

Mein Mann deutet manchmal an, dass ich unsere Kinder zu sehr verwöhnen würde. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß auch nicht, was daran schlecht sein sollte, falls es so wäre. Aber vielleicht ist es das, was mir die Kinder mit ihrer Mission sagen wollen: „Verwöhn uns doch nicht ständig so! Räum uns doch nicht alles hinterher! Wir müssen eigenständig werden. Und du störst uns dabei.“ Vielleicht würden die Kinder lernen, mehr Ordnung zu halten, wenn ich nicht alle naselang aufräumend einschreiten würde. Andererseits besteht der berechtigte Verdacht, dass unsere Wohnung im Chaos versinken würde, bliebe ich untätig. Was soll ich nur tun? Was täte Herr von Mami an meiner Stelle?

Ich würde jetzt übrigens gern schreiben, dass mein kleines Experiment alles verändert hat, dass meine Mädels eine Lehre daraus gezogen haben und es bei uns seither sehr viel ordentlicher aussieht. Aber das stimmt leider nicht. Alles ist exakt so wie vor dem Experiment! Vielleicht sogar noch schlimmer!

Ich hätte mir übrigens darüber hinaus mehr Rollentausch gewünscht, also dass meine Mädchen auch mich ein bisschen spiegeln würden. Aber vielleicht haben sie sich nicht getraut, mich anzuschreien. Herr von Mami wird nämlich leider manchmal laut, meistens aber auch nur, weil er das Gefühl hat, sonst nicht gehört zu werden. Belle hat mir beim Rollentausch lediglich irgendwelche Liebschaften angedichtet (Bin ich wirklich so eine Nervensäge bei meiner Warterei auf Leon?), Supergirl meinte, sie würde dann eben die ganze Zeit Yoga machen (das hat mich gefreut). Baby Boss hat mir mein Verhalten neulich gespiegelt, als das Experiment längst vorbei war. Sie sagte: „Komm zu mir, wenn du etwas von mir willst.“ Und als ich ihr etwas erklären wollte, hat sie noch gesagt: „Du musst es jetzt nicht weiter ausführen.“ Touché!

Neulich haben eine meiner Freundinnen und ich uns darüber unterhalten, wie unordentlich unsere insgesamt fünf Töchter sind. Wir saßen nachmittags Kuchen essend im schönen Friedenau und sie sagte: „Du weißt doch: Gleich heißt nie.“ Diesen Satz bin ich seither nicht mehr losgeworden, weil es nämlich genau so ist. Gestern Morgen zum Beispiel stand Supergirls Müslischüssel im Schlafzimmer neben unserem Bett. Als ich das sah, habe ich sie aufgefordert, die Schüssel wegzuräumen. Sie sagte: „Gleich.“ Als ich mittags wieder ins Schlafzimmer kam, stand die Schüssel immer noch da. Supergirl war noch in der Schule. Ich hätte das Schälchen wahrscheinlich resigniert in die Küche getragen und in den Geschirrspüler gestellt. Herr von Mami allerdings schnappte es sich aufgebracht und stellte es bei Supergirl auf den Schreibtisch. Dasselbe passierte kürzlich mit der Folie, in die ein Eis am Stiel eingewickelt war. Supergirl hatte das Eis gegessen und die Verpackung liegen lassen, und zwar auf meinem Bett. Ich hätte die Folie einfach in den Mülleimer geworfen, aber Herr von Mami legte sie auf Supergirls Hochbett.

Meine Freundin sagte, dass sie die „Gleichs“ zurzeit nicht mehr akzeptiere, das hätte sie neulich ihrer älteren Tochter mitgeteilt. Im Klartext heißt das, dass die Tochter jetzt alles sofort erledigen muss – auch wenn es damit einhergeht, das Handy für einen Moment beiseitezulegen.

Ich hatte mir daraufhin überlegt, dass ich Karten mit „Gleich“-Aufschrift für die Mädels basteln könnte und jedem von ihnen pro Woche ein bestimmtes Kontingent zur Verfügung stelle. Sind keine „Gleichs“ mehr da, müssten sie eben sofort handeln. Aber Herr von Mami hat mich davon abgehalten. „Du spinnst doch!“, hat er gerufen, mir die beschrifteten Karten wütend aus der Hand gerissen und auf den Boden geworfen. Da liegen sie wahrscheinlich noch heute.

6 Kommentare zu „Immer wieder: Gleich heißt nie“

  1. Vielleicht wird das Problem relativiert, wenn man sich vor Augen führt, dass manche an Präkrastination leiden – also am Drang, ALLES sofort zu erledigen. Dann doch lieber das faul-gemütliche Verschieben auf später (oder nie) 😉

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  2. Bei uns gibt es neben „Gleich!“ auch noch „Warte doch mal!“, „Nachher!“, „Jetzt kann ich grad nicht!“ … alles gleichbedeutend mit nie. Ich fürchte, sie werden ihre Spuren erst selbst beseitigen, wenn sie allein wohnen. Einmal daran gewöhnt, dass Mama es macht, und in dieser wunderbaren Phase des „Mir doch egal!“, wird das nichts. Warum sind wir auch solche Ordnungsfanatikerinnen, Herr von Mami? 😉

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  3. … was hier beim Pubertier super funktioniert ist, z.b. zu sagen „Räum das JETZT weg.“ Ohne Geschnörkel ohne bitte und danke im Vorfeld, wenn etwas weggeräumt wird. Hier kam mal die Aussage Richtung dem Herren Papa „Boah, ich räum das jetzt weg, damit Du mir nicht auf die Nerven gehen kannst.“ ! Kann nur sagen es wird mit zu nehmendem Alter besser, mittlerweile läuft das hier irgendwie automatisch, das Pubertier macht sofort wenn was gesagt wird und an manchen Tagen sogar ohne das wir was sagen müssen. Manchmal hilft es wirklich Dinge einfach liegen zu lassen, die Frage ist halt nur wie lange wir Mütter das aushalten das Dinge rumliegen, unser Ordnungsempfinden ist oft ein anderes. 🤣

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    1. Vielleicht sollte ich mir das mit dem JETZT auch angewöhnen. Es gab schon wieder so viele GLEICHs in den letzten Tagen, mit schwirrt total der Kopf davon.
      Und es wird mit zunehmendem Alter besser, ja? Das hoffe ich wirklich. Wie alt ist denn dein Pubertier?

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