Zum letzten Mal: An den Weihnachtsmann glauben

oder: Feen, die Geschenke bringen

In den Supermärkten steht wieder Weihnachtsgebäck, für meinen Geschmack viel zu früh. Spekulatius und Lebkuchen im September sind wie Gäste, die eine Viertelstunde vor dem geplanten Partybeginn kommen, finde ich. In solchen Momenten putzt mein Mann klassischerweise gerade noch das Bad und ich verziere Cupcakes mit Buttercreme. Dann muss ich mit Spritztüte in der Hand an die Tür laufen, um zu öffnen, oder er mit einem Schwamm.

Ich denke, dass ich getrost über Weihnachten schreiben kann, wenn mir die Supermärkte eine solche Steilvorlage bieten – auch wenn ich beim Verfassen des Beitrags einen kurzen Rock und ein T-Shirt trage und die Temperatur in unserer Wohnung bei mehr als 25 Grad liegt.

Meine Töchter haben früher an den Weihnachtsmann geglaubt und ich mochte das. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann sie damit aufhörten, aber ich denke, es wird bei allen im Alter von etwa acht Jahren gewesen sein. Wer schon wusste, dass die Geschenke von uns Eltern, den Großeltern, Onkeln und Tanten kamen, verlor kein Sterbenswörtchen darüber, um den anderen den Glauben an den Weihnachtsmann nicht kaputtzumachen.

Der Weihnachtsmann brachte Geschenke zu meinen Eltern, während wir selbst in der Kirche waren. Während wir bei meinen Eltern waren, kam der Weihnachtsmann zu uns nach Hause. In der Realität bedeutete das, dass ich Päckchen und Pakete in rasender Geschwindigkeit unter unserem Weihnachtsbaum platzierte, während der Rest der Familie schon auf dem Weg zum Auto war. Die Geschenke hatte ich zuvor mit verstellter Schrift beschriftet, das Geschenkpapier versteckte ich in der Kammer.

Die Existenz des Weihnachtsmanns wurde lange Zeit nicht in Frage gestellt. Einmal zum Beispiel bekam Baby Boss ein Kleid geschenkt, das bei meinen Eltern unter dem Baum lag. Sie packte es aus, roch daran und sagte: „Der Weihnachtsmann hat das gleiche Waschmittel wie Omi.“ Da war sie vier oder fünf Jahre alt, würde ich sagen. Die Kinder haben dem Weihnachtsmann manchmal Bilder gemalt und unter dem Weihnachtsbaum abgelegt, damit er sich darüber freut.

Was mir beim Glauben an den Weihnachtmann so gut gefällt, lässt sich in wenigen Worten erklären. Ich mag den Gedanken, dass es durch und durch gute Menschen gibt, in diesem Fall eine Vater- oder Großvaterfigur, die in nur einer Nacht durch die ganze Welt fliegt und Geschenke verteilt. Niemanden auslässt, alle im Blick hat, Wünsche erfüllt. Vielleicht sogar Wunder möglich macht? Menschen versöhnt? Ich finde diesen Glauben tröstlich.

Ich glaube an Gutherzigkeit und Herzlichkeit und wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auch heute noch gern an den Weihnachtsmann glauben. Besser noch: Ich wünschte, den Weihnachtsmann gäbe es wirklich. Aber irgendwann wird leider jeder aus diesem Paradies vertrieben. Die Kinder haben wir an ihrer Vorstellung festhalten lassen, bis sie von selbst an seiner Existenz ernsthaft zu zweifeln begannen und wir ihnen die Wahrheit nicht länger vorenthalten konnten.

Ebenso wie der Weihnachtsmann spielten auch bestimmte Feen eine wichtige Rolle in unserem Leben – allen voran die Zahnfee, die immer dann erschien, wenn einem Kind ein Milchzahn herausgefallen war, und eine Ein- oder Zwei-Euro-Münze oder ein kleines Geschenk wie etwa ein Armband vorbeibrachte.

Nicht ganz so beliebt war die Schnullerfee. Nichts gegen sie persönlich, sie machte ja auch nur ihren Job. Aber der bestand nun leider darin, die Schnuller unserer Töchter Supergirl und Baby Boss in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mitzunehmen (Belle hatte keinen Schnuller). Supergirl war über Jahre sehr abhängig von „meine Lulu“, wie sie ihren Schnuller liebevoll nannte. Erst mit knapp vier Jahren war sie bereit, ihn abzugeben. Wir veranstalteten zu fünft – mein Mann, Belle, Supergirl, das Baby Baby Boss und ich – eine Party, spielten typische Kindergeburtstagsspiele und aßen Waffeln. Ich hatte in irgendeinem Erziehungsratgeber gelesen, dass dieses ganze Tamtam beim Abschied helfen würde. Und es half! Zumindest hielt sich Supergirl auch ohne Lulu ganz wacker, was vielleicht aber auch daran lag, dass die Schnullerfee als Dank für „meine Lulu“ einen Puppenkinderwagen zurückließ, der über Jahre mit sehr viel Hingabe bespielt wurde und immer noch existiert.

Auch Baby Boss hatte Besuch von der Schnullerfee, aber das kann ich leider nicht als Erfolgsgeschichte verkaufen. Sie bekam zwar ebenso wie Supergirl ein schönes Geschenk – ich glaube, es war eine Spielzeuggitarre –, und sie gab ihre Schnullerkollektion auch ab. Aber kurze Zeit später fing sie an, genussvoll an ihrem Däumchen zu nuckeln. Oh Schreck, kann ich da nur sagen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Und den Daumen wird man leider auch nicht so leicht los. Ich spreche aus eigener Erfahrung!

Gefühlte Jahre später kam dann die Däumchenfee, nahm das Däumchen zwar nicht mit, aber hinterließ ein Geschenk. Vor lauter Mitbringseln habe ich allerdings den Überblick verloren, worum es sich dabei gehandelt hat. Um es kurz zu machen: Baby Boss nuckelt seither zwar nicht mehr am Däumchen, dafür aber an ihrer Unterlippe. Um das zu lassen, sollte sie neulich einen Wecker bekommen, den wir im Internet bestellt hatten, der dann aber leider nicht funktionierte. Wir haben ihn zurückgeschickt, aber Baby Boss hat ihr Nuckeln trotzdem weitgehend eingestellt. Vielleicht können wir auch den Kauf der Spielzeuggitarre rückabwickeln?

Für meinen letzten Text habe ich in meinem privaten Umfeld Kritik einstecken müssen, mir wurden Missgunst und Groll vorgeworfen. Vielleicht bekomme ich für das eben geschilderte unpädagogische Verhalten auch wieder auf den Deckel. Ich kann es leider nicht ändern. Ich bin auch nur ein Mensch. Einer übrigens, der sich manchmal wünscht, schlechte Angewohnheiten mit einer Party im Kreis der Familie zu verabschieden und am nächsten Tag ein Geschenk dafür zu bekommen. Vielleicht bringt mir ja morgen die Sour-Cream-Chipsfee etwas vorbei.

7 Kommentare zu „Zum letzten Mal: An den Weihnachtsmann glauben“

  1. Liebe Sophie,
    für Weihnachten ist es nie zu früh (meines Erachtens nach auch nicht für Lebkuchen😉) und an den Weihnachtsmann zu glauben ist nun ganz und gar nicht unpädagogisch. Bei uns kam er bis zum Grundschuleintritt, weil meine Tochter daran glaubte und danach, weil es „immer so schön war und dazu gehörte“ (meine Tochter) und, weil wir Traditionen lieben. Wir feiern seit 10 Jahren den Geburtstag des allerersten Teddybären, der immer ein halbes Jahr älter ist als unsere Tochter und bereits vor ihrer Geburt von der Patentante im Babybett als Willkommengeschenk abgelegt wurde. Er bekommt Geschenke und einen echten Kuchen. (Un-) Pädagogik hin oder her!

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    1. Liebe Antonia,
      jetzt bin ich doch fast ein bisschen gerührt von den Feierlichkeiten für den Teddybären!!! Danke fürs Teilen dieser herzerwärmenden Geschichte. Mein Glaube an das Gute im Menschen ist also absolut begründet. 🙂
      Herzliche Grüße! Sophie

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  2. Wir haben heute in Norditalien sogar 27 Grad, aber es duftet nach Plätzchen. Na ja, es sind genaugenommen Kekse, die die Kleine gerade gebacken hat, aber egal. Zu deinem wunderbaren Text passte der Duft jedenfalls perfekt.
    Auch unsere beiden Mädchen haben lange an den Babbo Natale geglaubt. Wir haben uns redlich bemüht und auch die Große immer ermahnt, nicht heimlich zu kichern, wenn die Kleine von ihm sprach. Die Geschenke legte ich unter den Baum, während die anderen schon vorneweg spazieren gegangen waren. (Ich hatte immer noch etwas im Haushalt zu tun.) Meine Eltern waren bei mir selbst weniger erfolgreich. Ich vermute, es könnte an der gruseligen Weihnachtsmannmaske gelegen haben, die mein Vater, die große Schwester oder der Nachbar zu einem normalen Wintermantel trugen. Diese eher provisorische Verkleidung war nicht sehr überzeugend gewesen. Ich konnte noch nicht lesen, ging also in den Kindergarten, da spielte ich selbst den Weihnachtsmann bzw. -zwerg für meine Eltern. Damit ich wusste, für wen welches Geschenk ist, hatten sie farbige Punkte auf die Geschenkanhänger gemalt. Vorweihnachtliche Grüße nach Berlin!😉

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    1. Lustig, wir haben auch gebacken, und zwar Cookies.
      Dass du den Weihnachtszwerg gespielt und dich anhand von farbigen Punkten orientiert hast, finde ich total süß. Danke fürs Teilen.
      Herzliche vorweihnachtliche Grüße zurück! 😉

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