Zum ersten Mal: Ferienjob

oder: Die Decke der Aufmerksamkeit

Baby Boss findet, sie komme nicht oft genug in meinem Blogbeiträgen vor. Supergirl meint, ich hätte Belle lieber als sie. Mein Mann klagte lange darüber, dass er hinter unseren Töchtern auf Platz 2 rangiert. Ob er das noch immer so empfindet, weiß ich nicht. Wir haben kaum Zeit, miteinander zu reden. Eigentlich nur abends im Bett, aber da schlafe ich sofort ein.

Ich scheine offenbar Schwierigkeiten damit zu haben, es allen recht zu machen und allen gerecht zu werden. Ich scheine diesbezüglich an meine Grenzen zu stoßen. Ich sollte mir weniger vornehmen, denke ich, um jedem Familienmitglied mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dennoch mache ich oft genau das Gegenteil: Ich nehme mir immer noch mehr vor. Man könnte auch sagen: Ich halse mir Dinge auf. Oder lieber: ich suche nach Herausforderungen, habe Lust auf Neues. Kennt das jemand außer mir?

Meine Idee für diesen Sommer: ein Ferienjob. Als Jugendliche und junge Erwachsene habe ich neben der Schule und meinem Studium viel gearbeitet, aber es war kein klassischer Ferienjob dabei. Ich habe kein Eis verkauft (ich wäre die Idealbesetzung!), keine Kinder im Ferienlager betreut (ich wäre die Idealbesetzung!) und nicht bei der Ernte geholfen (darin wäre ich, glaube ich, nur mittelmäßig). Dafür habe ich viel Nachhilfe gegeben (Überraschung: vor allem in Deutsch), ich habe gebabysittet (Achtung: viel Verantwortung) und im Berliner Olympiastadion Rostbratwürstchen und Pommes verkauft (Achtung: abends riecht man nach Bratfett).

Den Ferienjob habe ich nicht allein übernommen, sondern gemeinsam mit Baby Boss. Er bestand darin, sechs Tage lang die zwei Katzen ihrer besten Freundin zu versorgen. Eigentlich sollten wir nur einmal am Tag vorbeischauen, um uns um die Katzen zu kümmern. Aber die beiden sind es gewohnt, mehrmals am Tag frisches Futter zu bekommen, deshalb waren wir an einigen Tagen zweimal da. Die Katzen-Wohnung ist nicht um die Ecke, Baby Boss und ich sind mit den Fahrrädern hingefahren. Mit An- und Abschließen haben wir etwa 10, 12 Minuten pro Strecke gebraucht. Vor Ort waren wir im Schnitt vielleicht jeweils eine halbe Stunde. Wir haben die Schälchen der Katzen ausgewaschen, Futter nachgefüllt, die Katzentoilette gereinigt (dafür war aus unerklärlichen Gründen immer nur ich zuständig) und mit den beiden gespielt.

An dieser Stelle muss ich etwas klarstellen: Ich wollte das so! Ich habe mich nicht verpflichtet gefühlt, sondern gedacht, dass es schön wäre, mich für ein paar Tage gemeinsam mit Baby Boss um zwei Katzen zu kümmern. Zum Beispiel auch, weil ich selbst höchstwahrscheinlich nie welche haben werde, weil mein Mann allergisch ist.

Baby Boss und ich haben Zeit miteinander verbracht, die wir uns ansonsten vielleicht nicht füreinander genommen hätten. Oder ich nicht für sie. Vielleicht hätte ich gedacht, dass ich ja noch etwas für meine Arbeit fertigstellen muss, den Geschirrspüler ein- oder die Waschmaschine ausräumen, etwas auf dem Handy nachschauen oder einen Blogbeitrag schreiben.

Baby Boss ist ein sehr fantasievolles Kind, sie macht aus fast allem ein Spiel. Es waren nicht wir beide, die auf Fahrrädern zu den Katzen ihrer besten Freundin gefahren sind. Es waren Lilly (sie) und Mira (ich – benannt nach einem Mädchen, das ich gern mag). Die beiden sind auf ihren Pferden geritten: Lillys Pferd hieß Komet und Miras hieß Milky Way. Manchmal hatte Lilly auch ein Handpferd dabei (Tornado) oder drei Hunde – Welpen! – in einem Korb, der hinter dem Sattel befestigt war. Die Mädchen, die sich vom Reiterhof kannten, ritten nicht gemeinsam in den Sonnenuntergang, sondern zum Katzen-Café, in dem sie – so viel Realitätsbezug musste sein – einen Ferienjob hatten. Auf dem Hin- und Rückweg sprachen sie über Dinge, über die man sich halt auf einem Ausritt unterhält. Mira sagte ab und zu „Na, los, Milky Way“ oder schnalzte mit der Zunge. Lilly erzählte von ihren Hunden. Lilly konnte schon galoppieren, Mira traute sich das nicht zu.

Oft ritt Mira hinter Lilly und ich beobachtete Baby Boss, wie sie eifrig in die Pedale trat, die braungebrannten Kinderarme links und rechts am Lenker ausgestreckt. Ihre zu einem Pferdeschwanz gebundenen blonden Haare lugten unter dem Helm hervor, das neue geblümte Oberteil, das wir im „Sale“ bei H&M gekauft hatten, trug sie fast jeden Tag voller Stolz.

Ich weiß nicht, wieso, aber es sind diese kleinen Momente, die mich glücklich machen, die ich für nichts in der Welt hergeben würde. Ich brauche nicht viel, ich brauche nur das: Zehn Minuten in der Sommersonne hinter meinem kleinen Mädchen herfahren, mein imaginäres Pferd antreiben, die imaginären Welpen die Treppen zum Katzen-Café hochtragen.

Es war Zeit, in der ich nicht gearbeitet habe, nicht gebloggt, nicht gebacken, nicht gespült oder gewaschen. Es war Zeit, in der ich Supergirl nicht davon überzeugen konnte, dass ich sie ebenso wie Belle von ganzem Herzen liebe, Zeit, in der ich mich nicht mit meinem Mann unterhalten habe. Die Decke meiner Aufmerksamkeit ziehe ich von einem zum anderen. Ich hoffe, das reicht.

5 Kommentare zu „Zum ersten Mal: Ferienjob“

  1. Dein Mann ist gut dran, wenn er sich auf Platz Zwei fühlt. Meiner sagt knallhart, seit wir zu unseren beiden Töchtern auch noch die Wellensittiche Tino und Coco haben, er rangiert auf Platz Fünf meiner Aufmerksamkeitsliste. Ich entgegne dann immer, dass er schließlich für sich selbst sorgen kann, was meine Töchter teilweise, die Wellensittiche aber gar nicht können. 😉

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    1. Jetzt musste ich doch sehr lachen. Wir haben ja auch Tierchen, unsere Zwergkaninchen Jimmy und Hermine, die ebenfalls Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Hoffentlich liest mein Mann deinen Kommentar nicht. Dann quetscht er die beiden auch noch in die Rangliste. 🙂

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  2. Lilly und Mira reiten, mit den drei Hundewelpen im Körbchen, auf Komet und Milky Way zum Katzen-Café, wo sie einen Ferienjob haben. Die Schälchen der Katzen werden ausgewaschen, mit Futter gefüllt, dann spielen sie mit den Kätzchen.
    Was für ein schöner Tag!

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