REISE: Zum ersten Mal: Oslo

oder: Im zweiten Anlauf

In der vergangenen Woche hat sich einer meiner Träume zerschlagen, den ich heimlich geträumt habe. Ich hatte die Vorstellung, ich könnte bei der Zeitschrift „Barbara“ anheuern und wenn schon nicht Kolumnen, so doch zumindest Reisereportagen schreiben. Ich mag die Zeitschrift, ich finde sie informativ, unterhaltsam und witzig. Jetzt wird sie eingestellt. Dabei habe ich doch gerade erst ein Jahresabo abgeschlossen.

Ich hätte zum Beispiel vorgeschlagen, über Oslo zu schreiben. Wir haben die Reise dorthin im vergangenen Jahr sehr verspätet angetreten, deshalb finde ich, dass ich jetzt auch sehr verspätet davon erzählen kann. Gebucht war der Trip für Himmelfahrt oder Pfingsten im Jahr 2020, und ich kann mich sogar noch daran erinnern, wie ich Goldlöckchen von diesem Plan vorgeschwärmt habe. Das war, als wir im Januar 2020 im Berliner Bezirk Grunewald spazierten und die Welt noch in Ordnung zu sein schien. Also zumindest sehr viel mehr in Ordnung, als sie es kurz darauf war. Das gruselt mich übrigens manchmal: dass alles so schnell aus dem ohnehin nur vermeintlichen Lot geraten kann.

Städte mit Blick aufs Wasser haben bei mir einen fast uneinholbaren Startvorteil.

2021 waren gefühlt gar keine Reisen möglich, und auch im vergangenen Jahr schien der Oslo-Besuch für einen Moment am seidenen Faden zu hängen. Mein Mann hatte nämlich kurz vor unserem Städtetrip während einer Dienstreise den halben Tag neben einer Kollegin gesessen, die sich am Tag darauf als Corona-positiv entpuppte. Wir versuchten, diesen Umstand zu ignorieren, blieben in Oslo unter uns und trugen sicherheitshalber Maske, wenn wir uns mit anderen in sogenannten Innenräumen aufhielten. Leider gibt man sich damit sofort als deutscher Tourist zu erkennen. Die „German Angst“ ist ja so sehr mit den Deutschen verbunden, dass man sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, eine Übersetzung in andere Sprachen dafür zu finden: eine kollektive, vielleicht leicht hypochondrische, an der generalisierten Angststörung knapp vorbeischrammende diffuse Furcht. Aber maskentragend ist man wenigstens nicht schuld daran, einen erneuten Corona-Ausbruch in Norwegen verursacht zu haben: in diesem sauberen, aufgeräumten, grundguten Land, in dem man in jedem Fjord bis zum Meeresboden blicken kann und in dem alles total hyggelig ist – ebenfalls ein Wort, das so vielsagend ist, dass niemand eine auch nur halbwegs passende Übersetzung dafür gefunden hat.

Zimtschnecken kann sich auch eine fünfköpfige Familie leisten (gerade so).

Die knuffige, übersichtliche, norwegische Hauptstadt eignet sich hervorragend für einen Kurztrip übers verlängerte Wochenende. Natürlich nur, wenn man all seinen Mut zusammennimmt und fliegt. Die Auto- und Fährfahrt dauert laut Google Maps zwischen 13 und 14 Stunden. Die Norwegian Air fliegt vom Flughafen Berlin-Schönefeld aus direkt. Der Flug dauert rund 1 1/2 Stunden, die Fußwege auf dem Flughafengelände kosten weitaus mehr Zeit. Die Norwegian Air hatte in ihrer 21-jährigen Firmengeschichte übrigens weder einen tödlichen Unfall noch einen „Flugzeug-Totalverlust“, das habe ich kürzlich im Internet gelesen. Wenn ich vorher davon gewusst hätte, wäre mir die Suche nach einer Glücksperson nicht so wichtig gewesen.

Das Schiff vor lauter Masten nicht sehen.

Apropos Glücksperson: Ich glaube, dass man in Oslo ganz schnell selbst zu einer wird. Zu jemandem, mit dem es das Schicksal gut meint, der glücklich und zufrieden vor sich hinlebt. Die Stadt hat rund 1.064.000 Einwohner, ist für eine Hauptstadt eher klein, im Vergleich zu Berlin wirkt sie winzig. Trotzdem ist Oslo mit Abstand die größte Stadt des Landes. Die „Os“ werden auf Norwegisch übrigens wie „Us“ ausgesprochen und das „S“ eher wie ein „Sch“. Das weiß ich aus einem Norwegisch-Sprachkurs, mit dem ich vor längerer Zeit angefangen habe, um mich mit Morten Harket unterhalten zu können, falls ich ihn einmal unverhofft treffen sollte (wovon ich ebenso heimlich träume wie von einem Job bei der „Barbara“). Der Sänger der Band a-ha (die jedem ein Begriff sein sollte!) ist für mich der Prototyp eines Norwegers: freundlich, zurückhaltend und sehr bescheiden. Wir haben während unseres Urlaubs nicht eine Person getroffen, die davon abgewichen wäre. Die Freundlichkeit der Norweger und der Skandinavier insgesamt ist zu Recht legendär. Wir haben uns in Oslo ebenso wie bei unseren zahlreichen Dänemark-Aufenthalten sehr wohl und herzlich willkommen gefühlt.

Das Opernhaus ist einem treibenden Eisberg nachempfunden. Ahoi!

Oslo liegt malerisch im Süden Norwegens am Oslofjord. Es gibt ein Hafenviertel und eine Fußgängerzone mit buntem Treiben, zahlreiche historische Gebäude und ganz viel Grün. Auf unserem touristischen Programm standen unter anderem die Oper plus Dachterrasse mit Panoramablick über Stadt und Fjord, die Festung Akershus und das königliche Schloss (von außen, aber es gibt auch Führungen, das machen wir vielleicht beim nächsten Mal). Immerhin haben wir die Wachablösung gesehen. Die im Zentrum gelegenen Sehenswürdigkeiten sind auch für Kinder in Baby Boss‘ Alter (damals gerade neun Jahre alt) gut zu Fuß zu erreichen, für alle anderen gibt es Busse und U-Bahnen.

Das (rote) Rathaus. Da fühlt man sich gleich wie zuhause.

Ob Morten Harket schon mal im königlichen Schloss zu Besuch war?

Museen, wie das Naturhistorische Museum, das Skimuseum an der Holmenkollen-Sprungschanze und natürlich das Munch-Museum laden zum Besuch ein. Wir selbst waren allerdings in keinem der genannten, was vor allem mit dem traumhaften Wetter zu tun hatte und ein kleines bisschen mit unseren Kindern, die nicht so leicht für Aufenthalte in Museen zu begeistern sind. Stattdessen waren wir im Norwegischen Freilichtmuseum, ein kulturhistorisches Museum, das auf der Halbinsel Bygdøy liegt und unter anderem Gebäude aus früheren Zeiten zeigt, die auf dem Areal wiederaufgebaut wurden. Besonders gut haben uns die Mitmach-Stationen für Kinder gefallen: mit Wasser gefüllte Milchkannen aus Metall schleppen oder am langen Arm in die Höhe halten, Nägel einschlagen, Holzscheite stapeln. Für den Rückweg ins Zentrum haben wir von Bygdøy aus die Fähre über den Fjord genommen – sehr zu empfehlen.

Junger Mann vor alter Kirche.

Hier würde sich auch der Alm-Öhi wohlfühlen.

Beim Flanieren im Zentrum an unserem zweiten Urlaubstag hatten wir das große Glück, ein Musik-Festival zu erleben: das Korpsfest Oslo. In der Innenstadt marschierten kleinere und größere Blasorchester mit fahnenschwingenden und -werfenden Tänzerinnen, zum Beispiel zum Klang von James-Bond-Titelmelodien. Gesäumt wurden die Straßen von zahlreichen Schaulustigen, die Volksfest-Atmosphäre war einfach umwerfend.

Den Nachmittag verbrachten wir im Vigeland-Skulpturenpark, der das Lebenswerk des Bildhauers Gustav Vigeland zeigt. Der Park beherbergt mehr als 200 überlebensgroße Skulpturen aus Bronze, Granit und Schmiedeeisen. Auch hier wieder: Volksfest-Stimmung, aber beschaulich und freundlich, weltoffen und hyggelig. Wichtigstes Utensil für den Parkbesuch: Einweggrills. Wir hatten zwar keinen, trotzdem war der Vigeland-Park eines unserer absoluten Urlaubs-Highlights.

Der Monolith im Vigeland-Park – einfach herausragend.

Baby Boss und ich kurz nach ihrer Geburt.

Park mit Aussicht.

Einen klitzekleinen Wermutstropfen möchte ich niemandem vorenthalten: Oslo ist eine vergleichsweise teure Stadt. Eine Pizza Margherita zum Beispiel kostet 17 Euro. Außer Softeis, Zimtschnecken und einmal Pommes bei einem Schnellrestaurant haben wir deshalb nie auswärts gegessen, sondern immer in unserer Airbnb-Unterkunft. Wenn ich mich recht erinnere, gab es an den drei Abenden zwei- bis dreimal Nudeln.

PS Bei unserem nächsten Oslo-Besuch würde ich mir auf jeden Fall Zeit für das Munch-Museum nehmen – allein schon wegen des Gemäldes „Der Schrei“. Außerdem würde ich die Holmenkollen-Sprungschanze besuchen (von dort soll man eine traumhafte Aussicht haben) und sehr gern auch die Oper, die übrigens auch Ballettvorstellungen zeigt.

Glücklich sein leicht gemacht.

8 Kommentare zu „REISE: Zum ersten Mal: Oslo“

  1. Liebe Sophie, herrliche Fotos und sehr anregend beschriebene Eindrücke, danke! Ich finde den Aspekt interessant, dass ihr das Gefühl hattet, euch mit der Maske als Deutsche zu erkennen zu geben. Uns ging es so als Italiener in Deutschland, im Sommer 2020, aber auch noch 2021 (Ich schrieb zum Thema „Fremdeln“ dazu: http://tuttopaletti.com/2021/09/02/fremdeln/).
    Was deine Karriere als Reisereporterin angeht, so hängt sie bestimmt nicht an der Barbara. Gedruckte Texte haben ihren besonderen Charm, davon träumen wir Blogger. Aber ob Zeitschriften auf lange Sicht als Medium interessant bleiben? Ich selbst lese auch schon ewig keine Zeitschrift mehr und frage mich immer im Supermarkt und im Schreibwarenladen, wie viele Hefte überhaupt verkauft werden. Man liest deren Artikel online, oder? Ich fürchte, es wird noch mehr Hefte erwischen. Bei Büchern bin ich traditionell, habe keine Lust auf e-Books, und da scheint es noch einem ausreichend großen Teil der Leser ebenso zu gehen. Also doch besser Romanautorin? Wie auch immer, hör bitte nicht auf zu träumen! Liebe Grüße Anke

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    1. Liebe Anke, das Zeitschriftensterben macht mich wirklich betroffen. Ich bin jemand, der nicht nur gern liest, sondern auch gern blättert. Und zwar nicht nur in Büchern. Mit dem Lesen oder Durchblättern einer Zeitschrift verbinde ich eine ganz besondere, sehr entspannte Atmosphäre, eine, in der man fünf gerade sein lassen kann (und sich im Gegensatz zum Bücherlesen auch nicht allzu sehr konzentrieren muss): mit einem Kaffee auf dem Sofa, auf einer Sonnenliege im Urlaub, abends im Bett.
      Wenn ich etwas online lese, dann sind das eigentlich nur Nachrichten – oder Blogs. 😉
      Ich versuche, nicht mit dem Träumen aufzuhören – danke, für deine lieben Worte. Und weißt du, ich träume ja auch ganz sicher nicht vom großen Geld, sondern einfach sehr bescheiden (wie Morten) davon, andere zu erreichen, gelesen zu werden. Mehr will ich gar nicht.
      Herzliche Grüße, Sophie
      PS Deinen Artikel habe ich übrigens jetzt gelesen. Ich kann das alles gut nachempfinden: mit der alten und mit der neuen Heimat.
      Was das Maskentragen betrifft, kam es – glaube ich – immer sehr darauf an, wo genau man sich in Deutschland aufgehalten hat. Ich habe die meisten Menschen als sehr diszipliniert erlebt (sofern das das richtige Wort ist). Wenn du zur German Angst auf Wikipedia nachliest, wird übrigens auch auf die deutsche Reaktion aufs Pandemiegeschehen Bezug genommen. Das fand ich ganz interessant.

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  2. Oh wie schön, da waren wir schon. Danke fürs „Mitnehmen“. Sehenswert ist übrigens auch die Festung (aus der wir fast keinen Ausgang gefunden haben). Oslo ist eine schöne Stadt, um sich die Füße rundzulaufen. Munch haben wir auch nicht geschafft, ein Grund nochmal wiederzukommen.
    Und was die Zukunftspläne angeht – ich drücke die Daumen, auch wenn es nicht die Barbara sein kann.

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    1. Ich danke dir herzlich für deine liebe Nachricht und fürs Daumendrücken! Für uns wird es bestimmt auch mal wieder nach Oslo gehen, am besten dann mit einer Reise durch Norwegen verbunden. Es soll sich ja schließlich lohnen, dass ich so fleißig die Sprache lerne.

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