Zum ersten Mal: Adults only

oder: Paarbeziehungen

Ich habe neulich darüber nachgedacht, dass ich zwar viele Freundinnen habe – für jede Lebenslage mindestens eine –, aber nur einen Mann. Er muss also ganz allein alles schultern, wofür mir unter meinen Freundinnen eine große Auswahl zur Verfügung steht. Um einige Beispiele zu nennen: Goldlöckchen und Pippilotta für Rat und Tat in allen Lebenslagen. Juskabo, um gemeinsam zu schreiben. Eugie, um den Job besser zu ertragen und um gemeinsam Harry Styles und Aaron Taylor-Johnson anzuschmachten. Anna Freudchen fürs Kino und meine psychologische Grundbetreuung. Meine Laufgruppe, um gemeinsam zu sporteln. Alex, um den weltbesten Kaffee zu genießen.

Mein Mann kann keine dieser Aufgaben abgeben. Er muss psychologische Grundbetreuung leisten, mit mir joggen, Kinofilme anschauen und seit neuestem sogar Kaffee trinken gehen. Würde er sich den Job gern mit einem anderen Mann oder sogar mehreren Männern teilen? Sollte ich demnächst mit einem 25 Jahre alten Personal Trainer Sport treiben? Der im besten Fall so aussieht wie Aaron Taylor-Johnson? Ins Kino gehen mit einem Harry-Styles-Verschnitt? Würde mein Mann das wollen? Oder ist es ihm ganz recht, dass Paarbeziehungen anderen Regeln unterliegen als Freundschaften? Wäre es eine Entlastung für ihn, wenn ich mich mit anderen Männern treffen würde – oder eine Last?

Neulich waren er und ich übers Wochenende verreist. Ohne Kinder wohlgemerkt. Es ging auch gar nicht anders in diesem Hotel in Bad Saarow, denn es war eines der Kategorie „Adults only“. Bis zu unserer Ankunft wusste ich das nicht und für einen Moment fühlte ich mich, als ob ich unsere drei Töchter beim Check-in verriet. „Adults only“? Das fand ich irgendwie krass. Aber dann beanspruchte ein anderer Umstand meine volle Aufmerksamkeit: Die Frau an der Rezeption sagte nämlich zu meinem Mann: „Sie haben nur für eine Person gebucht. Nur für sich selbst.“

„Das stimmt nicht“, sagte mein Mann und zeigte seine Reservierung, aus der hervorging, dass er nur für sich selbst gebucht hatte. Ich sah mich schon in der Badewanne übernachten. Oder eher ihn. Oder uns beide aneinander gequetscht in einem Einzelbett.

„Willst du mir damit irgendetwas sagen?“, fragte ich ihn. „Liegen oben auf dem Zimmer die Scheidungspapiere bereit?“

„Ha, ha“, machte er, aber die Rezeptionistin fand es lustig.

Sein Versehen hatte keine schwerwiegenden Folgen. Es gab ein Zimmer mit Doppelbett, ich durfte den Whirlpool und das textilfreie Dampfbad benutzen und zum Frühstück frisch gepressten Orangensaft trinken und Pancakes essen. Im Gegenzug mussten wir einen geringen Aufpreis zahlen.  Ich glaube, das wurmte meinen Mann ein bisschen, er hatte sich das anders vorgestellt: Wir beide zum Preis von einer Person in Bad Saarow. Vielleicht hätte das ganze Wochenende gar nicht erst stattgefunden, wenn er schon bei der Buchung gesehen hätte, was das für uns beide kosten würde. Glück gehabt, würde ich sagen. Wie so oft in meinem Leben. Ich bin ein Sonntagskind.

Mein Mann und ich sind schon sehr lange zusammen, im Februar waren es 26 Jahre. Dabei bin ich erst 46 Jahre alt. Das Glück, früh den Richtigen gefunden zu haben. Sonntagskind eben.

Ich genieße sämtliche Vorteile dieser langjährigen Beziehung. Ich kenne meinen Mann wie meine Westentasche und bin dabei froh, dass er keiner dieser Männer ist, die Multifunktionswesten mit tausend Taschen tragen. Für mich sind solche Westen ein Scheidungsgrund. Wir sind ein gutes Team, ergänzen uns, haben dieselben Interessen und Hobbys, zum Beispiel unsere Töchter und unser Familienleben insgesamt, Reisen, Sport, Schreiben. Mein Mann gehört zu den wenigen Menschen, die ich kenne, die frei von Neurosen sind. (Ist das ein Vorteil?) Er ist gutherzig, gutaussehend, meist gutgelaunt. Er ist hilfsbereit und verlässlich. Und er glaubt an mich. Das hat er schon immer getan.

Wäre mal interessant zu wissen, was mein Mann an mir alles gut findet.

Gibt es Nachteile an so langen Beziehungen? Na klar. Die Beziehung ist kein weißes Blatt mehr. Es gab Missverständnisse, Streits, Vertrauensbrüche. Seit 26 Jahren haben wir keine ersten Dates mehr, Schwärmereien beschränken sich auf unerreichbare Filmstars und Musiker (siehe oben). Die Entscheidung für eine langjährige Beziehung und Bindung schließt es aus, sich frisch zu verlieben (außer in den eigenen Partner) beziehungsweise diesen Gefühlen Raum zu geben.

Manchmal kommt es mir so vor, als ob andere Menschen denken, dass einem eine glückliche Beziehung in den Schoß fällt. Aber das trifft es nicht. Wenn man es bis an den Punkt schaffen möchte, an dem mein Mann und ich uns befinden, braucht es weit mehr als Glück. Zum Beispiel den unbedingten Willen, es gemeinsam bis dorthin zu schaffen. Über all die Macken des anderen hinwegzusehen (mein Mann kann sich zum Beispiel nicht entschuldigen, ich bin recht aufbrausend). Es braucht Ehrlichkeit und Vertrauen. Man muss in die Beziehung investieren. Zeit füreinander finden. Sich im Eifer des Alltags nicht aus den Augen verlieren. Und hin und wieder ein Wochenende zu zweit buchen. Adults only. Am besten zum Preis von einem.

5 Kommentare zu „Zum ersten Mal: Adults only“

  1. Du hast es gut beobachtet: Man sollte immer wieder aufs Neue in die Beziehung investieren und sie nicht für selbstverständlich nehmen. Was für Freundschaften gilt, gilt erst recht für Paare. Wenn man dann noch gemeinsame Interessen hat, dann steht dem „perfekten“ Glück eigentlich nichts mehr im Wege, oder?…

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  2. … Und dann klappts auch mit dem Nachbarn. Ähem, mit immer wieder neu Verlieben, in den eigenen Partner. 😉
    Sehr schön, ich kann es mir auch göttlich vorstellen, wie er zähneknirschend den Aufpreis zahlen musste.😅
    Schön, dass es so lang währende, glückliche Partnerschaften gibt. 🥰

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  3. Und dann klappts auch mit dem Nachbarn … Mensch, hilf mir mal bitte auf die Sprünge, woher ich das kenne! Irgendeine Werbung, die damals im Fernsehen lief, aber ich komme einfach nicht darauf. Geschirrspülmittel? 🙂

    Ja, das mit dem Aufpreis war so eine Sache. Das hat ihn dann doch an seine Grenzen gebracht. 😉 Umso besser, dass wir ein wirklich schönes Wochenende hatten.

    Und vielen Dank, liebe Anke, für deinen lieben Kommentar. Herzliche Grüße nach Italien!

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